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7,5 Mio funktionale Analphabeten in Deutschland!

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Ausrufezeichen in Überschriften sind eigentlich überflüssig, dieses habe ich aber bewußt gesetzt. Die Zahl ist erschütternd, sie ist das Ergebnis der ersten sog. Level one Survey des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Deutschland. Insgesamt so die Studie haben 40% der Erwachsenen in Deutschland Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. In Zeiten in denen das Internet zum Mitmachnetz wird, eine alarmierende Zahl. Werfen wir einen Blick auf die Zahlen im Einzelnen:

  1. Eine Definition des funktionalen Analphabetismus: Wenn eine Person nicht in der Lage ist, aus einem einfachen Text eine oder mehrere direkt enthaltenen Informationen sinnerfassend zu lesen und/ oder sich beim Schreiben auf einem vergleichbaren Kompetenzniveau befindet” (leo, S. 13)
  2. Die Level one Survey unterscheidet 4 Alphalevel mit unterschiedlichen Schreib- und Leseschwierigkeiten voneinander: Level 1-2: Analphabetismus im engeren Sinne. Menschen, die ganze Sätze nicht lesend verstehen können, einzelne Wörter werden Buchstabe für Buchstabe zusammengesetzt. Level 3: Sogenannter funktionaler Analphabetismus. Sätze können lesend verstanden werden, nicht aber kurze zusammenhängende Texte. “Betroffene Personen sind aufgrund ihrer begrenzten schriftsprachlichen Kompetenzen nicht in der Lage, am gesellschaftlichen Leben in angemessener Form teilzuhaben. So misslingt etwa auch bei einfachen Beschäftigungen das Lesen schriftlicher Arbeitsanweisungen.” (leo, S.3), Level 4: “Davon wird gesprochen, wenn auf Satz- und Textebene auch bei gebräuchlichen Wörtern langsam und/oder fehlerhaft gelesen und geschrieben wird. Die Rechtschreibung, wie sie bis zum Ende der Grundschule unterrichtet wird, wird nicht hinreichend beherrscht. Typische Betroffene vermeiden das Lesen und Schreiben häufig” (leo, S.3)
  3. Leo: Ergebnisse der Studie im Überblick40% der Bevölkerung können nicht richtig lesen und schreiben und haben damit auch ein schlechtes Verhältnis zu Texten (leo, S. 4). Ich beobachte in meinen Seminaren schon seit längerem, wie schwierig die inhaltliche Auseinandersetzung mit Texten fällt, vom Schreiben möchte ich gar nicht erst reden. Aber wie will eine Gesellschaft mit einem solch hohen Anteil an Ungernlesern inhaltliche Debatten führen, die über das klicksurfen weit hinaus gehen? Wie werden die Kinder dieser Eltern mit dem textbasierten Leitmedium Internet umgehen, wenn die familiären Routinen fehlen? Die hohen ilike Zahlen bei der ProGuttenberg Facebook-Gruppe erscheinen mir dabei gar nicht ungewöhnlich hoch, sondern sie sind auch das Ergebnis einer Gruppe von 40% Klickvieh.
  4. 60% der funktionalen Analphabeten, also ohne Level 4, sind männlich, 40% weiblich. (leo, S.5)
  5. Altersverteilung nach funktionalem AnalphabetismusGewagte These: Fernsehen produziert Lese- und Schreibdefizite, Internet motiviert zur Auseinandersetzung mit Schrift. Die nebenstehende Tabelle zeigt, dass funktionaler Analphabetismus mit zunehmendem Alter zunehmende Prozentzahlen aufweist. Während die >40 jährigen vermutlich auch heute noch das Fernsehn als ihr Leitmedium ansehen, sind die jüngeren Jahrgänge zunehmend selbstverständlicher mit dem Internet groß geworden und haben damit auch zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit Schrift vollzogen um zum Beispiel mit ihrer Peergroup in Verbindung zu bleiben werden nicht nur die Chats und E-Mailsdienste genutzt, sondern auch SMS, alles rein textbasierte Kommunikationsmedien. (leo, S.8)
  6. Unter den funktionalen Analphabeten sind 60% Deutsche mit der Erstsprache Deutsch, die anderen 40% haben eine andere Erstsprache. (leo, S.8)
  7. Immerhin 40% der mittleren und höheren Bildungsabsolventen sind funktionale Analphabeten. Wer glaubt, dass eine solche Schreib-/ Leseschwäche nur den unteren Bildungsabschlüssen vorbehalten ist, hat sich also getäuscht. Es handelt sich um ein gesellschaftsweites Problem, quer durch alle Einkommens- und Bevölkerungsschichten
  8. 60% aller funktionalen Analphabeten sind Erwerbstätig. (leo, S.9)

Der Ruf nach niederschwelligen Partizipationsmöglichkeiten liegt nahe, aber werden sie dann noch dem politischen Diskurs gerecht oder ist es nicht geradezu der Charakter einer immer komplexeren Umwelt, dass die zu lösenden Probleme sich nicht in ein Youtube Video runterbrechten lassen? Fragen gibt es nach dieser Studie viele zu beantworten. In wie fern das Internet dabei helfen kann, den Anteil der funktionalen Analphabeten drastisch zu senken, ist dabei eine äußerst spannende. Wer mag nach solchen Erkenntnissen die Medienkompetenzfrage nur für die Jugendlichen stellen. Die Erwachsenen haben vielleicht auch deswegen so große Vorbehalte gegenüber den Internet, weil sie es im wahrsten Sinne des Wortes nicht verstehen

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